Das Gründerinterview mit Kilian Green von Mellow Boards: „Mit einem normalen Skateboard würde wohl kaum jemand zehn Kilometer zur Arbeit fahren“
Nach einem Gefühl wie beim Snowboarden haben sich Johannes Schewe und Kilian Green gesehnt. Und in ihrer Firma Mellow Boards einen elektrischen Antrieb für Skateboards entwickelt, den man prinzipiell unter jedes Board schrauben kann. Mit TQ Systems als Partner, die mit 1,5 Millionen Euro eingestiegen sind, sind alle Weichen auf Wachstum gestellt. Kilian Green im Gespräch mit Neues auf der Aktentasche über echtes Skaten und Zufälle, die sich als Glücksfälle erweisen.
Mellow Electric Skateboard Drive – 7 Chapters of Awesomeness from Mellow Boards on Vimeo.
Herr Green, Ihre Firma Mellow Boards hat einen elektrischen Antrieb für Skateboards entwickelt. Wie kam es zu der Idee?
Die Idee hatte mein Partner Johannes Schewe im Jahr 2010. Er ist selbst Boardsportler. Eines Tages hatte er ein elektrisches Skateboard aus China in der Hand und dachte sich: Das muss doch besser gehen. Mit dieser Idee ist er zuerst auf taube Ohren gestoßen. Es gebe hierfür keinen Markt. Johannes hat damals Sportokönomie studiert. Mit den E-Skateboards hatte er dann gleich ein Thema für seine Abschlussarbeit, eine Marktanalyse. Dabei kam raus, dass es tatsächlich funktionieren könnte.
Als ich von der Idee das erste Mal gehört habe, dachte ich „eine prima Sache für 99 Euro.“ Da habe ich mich grob verschätzt. Ihr einfachster Antrieb, der ab September im Verkauf sein soll wird 1699 Euro kosten. Das ist eine Menge Geld. Wie viele Menschen wollen tatsächlich so viel ausgeben? Ein jugendlicher Skater wird wohl eher nicht über ein solches Budget verfügen.
Wir sprechen Kunden zwischen 25 und 45 Jahren an, die schon arbeiten und ein bisschen Geld zur Seite gelegt haben. Ein Vergleich zu anderen Fun-Sportarten relativiert den Preis: Eine Ausrüstung zum Kitesurfen kostet ja auch schnell 3000 Euro. Das technische Know-how ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Dazu kommt, dass der Antrieb komplett in Deutschland gefertigt wird und wir auf absolut höchste Qualität in allen Teilen setzen.
Haben Sie keine Angst, dass die Szene sich negativ äußert, die „echten“ Skater ihr Produkt ablehnen?
Das hören wir tatsächlich immer wieder. Etwa, dass unser Produkt total „lame“ ist. Die Core-Skater sind die kritischsten Kunden von allen. Die Puristen warnen davor, dass wir nicht den Sport kaputt machen sollen. Das beste Mittel dagegen ist es, sie einzuladen und ihnen den Mellow Drive zu zeigen. Nach ein, zwei Versuchen sind die meisten total begeistert, wie viel Power der Antrieb hat. Und dann ist es ja auch so, dass wir dem Skaten eher was hinzufügen. Mit einem normalen Skateboard zehn Kilometer zur Arbeit würde wohl kaum einer machen, aber mit einem Mellow-Drive kann man 15 Kilometer fahren und dabei auch noch super viel Spaß haben.
Herr Schewe hatte die Idee für Mellow Boards. Wann sind Sie dazugestoßen?
Johannes und ich haben uns durch Zufall bei einem Surf-Urlaub im Winter 2013/2014 kennengelernt. Johannes hatte zwar die Idee für den Antrieb, aber nicht das technische Know-how. Ich habe rund viereinhalb Jahre für BMW Antriebe für Elektrofahrzeugsprototypen entwickelt. Irgendwann hat er mich gefragt, ob ich nicht Entwicklungsleiter bei dem Projekt sein wolle. Ich hatte eigentlich gar keine Zeit und ihm gesagt, dass ich das nur solange mache, bis er einen besseren gefunden hat. Heute bin ich immer noch dabei. Im September 2014 habe ich tatsächlich meinen Job hingeschmissen und bin bei Mellow Boards eingestiegen.
Sie sind also der Tüftler im Gründerteam?
Ich habe das technische Verständnis mitgebracht und konnte auch auf einer technischen Ebene Gespräche mit Zulieferern führen. Wir haben mit einem sehr kleinen Budget angefangen. Für unseren ersten Prototypen haben wir mit Teilen aus dem Modellbau gearbeitet, mit Geschwindigkeitsreglern zum Beispiel welche normalerweise im Modelbau eingesetzt werden. Motoren haben wir umgebaut und angepasst.
Das klingt so, wie sie es sagen, recht einfach.
Ist es nicht. Wir hatten immer wieder mit Rückschlägen zu tun. Für eine Präsentation haben wir beispielsweise mit einer Firma zusammengearbeitet, die uns prototypische Motoren gebaut hat. Wir hatten noch zwei Wochen, um den Prototypen zu testen. Nach vier Tagen ist er uns durchgebrannt. Der Dienstleister hatte einfach irgendeinen Trafodraht für den Antrieb benutzt und nicht einen, der hochtemperaturfähig ist. Also mussten wir recherchieren: Welchen Draht brauchen wir? Und wo gibt es den? Ich habe tatsächlich eine Firma gefunden, die konnte mir allerdings nur eine 18 Kilo-Rolle verkaufen, also viel zu viel. Ich bekam dann den Tipp, zu einer Motorenbaufirma zu gehen, die den Draht vorrätig hatte. Die haben uns ein paar Meter gegeben. Wir haben es dann tatsächlich zur Präsentation geschafft.
Und, waren Sie erfolgreich?
Wir wurden abgelehnt, wenn auch wegen eines anderen Grundes. Wir hatten es in die Hauptrunde einer Innovationsförderung geschafft. Dort gab es dann aber plötzlich Bedenken: Braucht unsere Technik eine Verkehrszulassung? Für uns ist das klar: Es ist ein Sportgerät. Dafür ist keine Zulassung nötig. Die Juroren waren sich da allerdings nicht so sicher. Schließlich wurden wir abgelehnt. Für uns hat sich das allerdings als Glücksfall herausgestellt.
Wieso?
In den Förderbedingungen war geregelt, dass Aufträge mit einem Volumen über 50.000 Euro europaweit ausgeschrieben werden müssen. Uns als Zwei-Mann-Betrieb damals hätte das organisatorisch komplett überfordert. Es ist auch so, dass wir gar nicht so sehr vom Markt in Deutschland abhängig sind. Unsere Hauptabsatzmärkte liegen in Nordamerika und Australien. In Kalifornien ist die Technik schon so verbreitet, dass es explizit erlaubt ist, dass E-Skateboards auch auf Fahrradwegen fahren dürfen.
Inzwischen ist der Elektronikdienstleister TQ Systems mit 1,5 Millionen Euro eingestiegen. Wie muss man sich Ihr Unternehmen jetzt vorstellen?
Wir haben zwei Standorte: In Hamburg wird der Vertrieb und das Marketing erledigt. Dort haben wir auch eine kleine Manufaktur, in der wir Boards nach Kundenwunsch mit dem Antrieb zusammenbauen. In München ist unser Labor und unsere Werkstatt. Von dort ist es auch nicht weit zu unserem Partner TQ Systems. Dort werden dann auch die Antriebe produziert. Wir haben fünf festangestellte Mitarbeiter, mit Freelancern besteht das Team aus rund 20 Personen.
Wie sieht der weitere Zeitplan aus?
Im September sollen die ersten Antriebe produziert werden. Wenn alles gut läuft, wollen wir in drei Jahren in den schwarzen Zahlen sein. Wir müssen auch noch den Vertrieb aufbauen. Im Augenblick suchen wir dafür einen Partner in Nordamerika.
Herr Green, vielen Dank für das Gespräch.
Mellow Boards hat bei Kickstarter eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne umgesetzt. Bei einem Ziel von 100.000 Euro wurden über 300.000 Euro eingenommen. Mehr über Crowdfunding erfahren Sie hier.
Über den Autor Henning Zander
Henning Zander ist Wirtschaftsjournalist und externer Datenschutzbeauftragter (TÜV). Er arbeitet u.a. für FOCUS-Business, Legal Tribune Online und das Anwaltsblatt. Er ist Autor des Buches Startup für Einsteiger