Das Gründerinterview mit Cosmin Ene von LaterPay: „Im Restaurant bezahle ich auch erst, nachdem ich gegessen habe.“
Wie kann man im Internet mit Journalismus Geld verdienen? Diese Frage treibt die deutschen Verlage um. Cosmin Ene, Gründer der Firma LaterPay aus München, hat einen ganz eigenen Lösungsansatz. Sein Geschäftsmodell: Der digitale Bierdeckel für journalistische Inhalte. Leser können die Kosten für einen Artikel anschreiben lassen und bekommen ab einer Summe von 5 Euro eine Rechnung. Ein Gespräch mit Neues aus der Aktentasche über die Hoffnung auf einen neuen Markt für digitale Inhalte.
Herr Ene, Sie wollen mit Ihrem Unternehmen LaterPay ein neues Bezahlsystem für das Internet etablieren. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Ich war mit einem Bekannten Sushi essen und wir unterhielten uns darüber, warum es so schwierig ist, Videos im Internet zu verkaufen. Wir kamen auf zwei wesentliche Probleme: zum einen möchte sich kein Mensch vorab registrieren, bevor er überhaupt weiß was er bekommt. Zum anderen sind die Transaktionskosten so groß, dass sich Kleinstzahlungen nicht lohnen. Irgendwann kam ich auf den Vergleich mit dem Sushi-Restaurant.
Inwiefern?
Würde man gleich am Eingang 100 Euro zahlen wollen, ohne einen Blick in die Karte werfen zu dürfen? Man würde gleich weiterziehen und ein anderes Restaurant aufsuchen. Bei den meisten Bezahlvorgängen in der realen Welt ist es doch so: Ein Taxi bezahle ich erst, wenn ich an meinem Zielort angekommen bin. Im Restaurant bezahle ich auch erst, nachdem ich gegessen habe. Diesen Kerngedanken wollte ich auf das Internet übertragen.
Wann wussten Sie, dass Sie auf dieser Idee basierend ein Unternehmen gründen wollten?
Ich habe mich erst einmal zurück gezogen. Ich wollte davon überzeugt sein, dass das Konzept auch noch in 10 oder 15 Jahren erfolgreich sein kann. Dafür musste ich das Thema erst einmal komplett durchdenken. Aber gleich zu Anfang stand schon der Name: LaterPay.
Vor allem die Verlagsbranche diskutiert verschärft neue Bezahlsysteme von Freemium bis Metered-Paywall. Sind die Verlage Ihre Zielgruppe?
Wir sind tatsächlich zuerst auf die Verlage zugegangen. Wir haben LaterPay auch darauf hin entwickelt, dass das Modell den Bedürfnissen von Anbietern mit hoher Reichweite gerecht wird. Doch in unseren Gesprächen mit den Verlagen haben wir gemerkt, dass sie nicht dazu bereit sind, das zu tun, was sie eigentlich müssten um dahin zu kommen, wo sie hinwollen
Was wäre das?
Sie müssten eben nicht versuchen, ihre User in ein Abo zu pressen. Sie müssten viel mehr auf das Nutzungsverhalten eingehen. Rund 95 Prozent der Nutzer erreichen die Schwelle von 20 Artikel im Monat überhaupt nicht und kommen somit nicht in Frage für Abos. Ein Großteil der User sind Gelegenheitsuser. Ihnen müssen einzelne Inhalte angeboten werden, um sie für das eigene Angebot zu begeistern und zu überzeugen. Über diesen Weg ist es dann auch möglich, sie für ein Abo zu gewinnen: Erst muss man sie ans Bezahlen heranführen, ihnen die Möglichkeit geben sich von den Inhalten zu überzeugen – wenn sie diese mögen, werden einige User auf ein Abo umsteigen.
Sie sprechen mit Ihrem Produkt auch die Games-Branche an. Ist dies der einfachere Markt im Gegensatz zum Journalismus?
Der Unterschied ist: Es gibt in der Games-Branche schon einen Markt für bezahlte digitale Inhalte und dieser Markt braucht eine Erhöhung der Conversion nichtzahlender User in zahlende User. Im Gegensatz dazu ist der Publishing-Markt in einem Selbstfindungs- und Entstehungsprozess.
Was lässt Sie denn vermuten, dass die Nutzer überhaupt dazu bereit sind, für Journalismus im Internet zu zahlen?
Da muss man unterscheiden. News, bei denen nur Pressemitteilungen abgebildet werden, sind schwer zu monetarisieren. Aber wenn eine News angereichert wird, erweitert, zu einem tieferen Verständnis für die Zusammenhänge führt, wenn sie ergänzt wird mit Videos oder mit Charts, dann bringt sie einen Nutzen, für den die Leser bereit sind zu zahlen.
Und dennoch schrecken Preise Nutzer immer wieder ab.
Die User sind nicht per se gegen die Zahlung, insbesondere dann nicht, wenn sie wissen, was sie für ihr Geld bekommen und wenn es einfach ist an die Inhalte zu gelangen. Man merkt einem Text an, wie viel Arbeit in ihm steckt. Der Leser wird vor dem Lesen auf die Kosten hingewiesen und bekommt eine Dienstleistung, für die er später bezahlen muss. Dennoch erlaubt die Bündelung von vielen Käufen einem Anbieter seine Inhalte bereits ab 5 Cent zu verkaufen, wodurch Wirtschaftlichkeit und User-Freundlichkeit Hand in Hand gehen.
Es gibt inzwischen zahlreiche Bezahlsysteme, die auf Freiwilligkeit beruhen.
Wir grenzen uns ganz bewusst gegen die Freiwilligkeit ab. Es geht eben nicht um Spenden, sondern um Texte, die einen Wert haben. Wenn sich zeigt, dass sich damit Geld verdienen lässt, wird im besten Falle auch mehr und besser veröffentlicht. Und es entsteht ein Markt.
Was würden Sie sagen, war bisher schwieriger: die Arbeit am Geschäftsmodell oder die Lösung von technischen Fragestellungen?
Die größte Herausforderung war es für uns, zu entscheiden, wie wir den Markt angehen. Inzwischen sind wir uns sicher, dass wir es eben nicht so machen wollen, wie es einige wenige große Verlage von journalistischen Inhalten gerne hätten, sondern dass wir uns am Markt selbst orientieren, an den Lesern und Usern. Darum haben wir ein System gebaut, das um die Bedürfnisse des Users herum aufgebaut ist, und dennoch die Interessen der Content Anbieter berücksichtigt. Es gibt außerdem eine große Zahl von Bloggern, Journalisten und mittelgroße Verlage, die gerne auf diese Weise Geld verdienen würden, aber bis jetzt nicht wussten, wie sie es anstellen sollten. Um diese Gruppe und ihre Bedürfnisse besser kennenzulernen sind wir auch Partnerschaften wie etwa mit Richard Gutjahr eingegangen. Richard hat zum Beispiel bei der Entwicklung des WordPress Plugins aktiv mitgewirkt.
Blicken Sie derzeit nach Holland, wo das Startup Blendle den Markt für bezahlte journalistische digitale Inhalte umkrempelt? Blendle will eine Art iTunes für Journalismus werden. Das Unternehmen hat es geschafft, die großen holländischen Verlage dafür auf seine Plattform zu holen.
Natürlich schauen wir mit großem Interesse nach Holland, auch wenn es ein ganz anderes Geschäftsmodell ist, als unseres. Aber auch dort geht es um den Verkauf von Einzel-Content und das ist großartig, denn damit ist Blendle ein weiteres Unternehmen, das auf Pay per Use setzt. Ich bin aber eher skeptisch, dass das Modell in Deutschland funktionieren würde. Die Rahmenbedingungen sind in Holland andere. Es gibt deutlich weniger Verlage als in Deutschland. Auch haben deutsche Verlage immer noch sehr viel Geld und sind oftmals davon überzeugt, dass sie Geschäftsmodelle selber umsetzen können. Und die Innovationsfreude ist womöglich in Holland höher.
Ab wann werden Blogger und Interessierte Ihren Service nutzen können?
Einige Partner werden schon bald mit dem System starten. In zwei bis drei Monaten geht es dann auch offiziell los.
Über den Autor Henning Zander
Henning Zander ist Wirtschaftsjournalist und externer Datenschutzbeauftragter (TÜV). Er arbeitet u.a. für FOCUS-Business, Legal Tribune Online und das Anwaltsblatt. Er ist Autor des Buches Startup für Einsteiger